Dienstag, 1. Dezember 2009

Minarett-Verbot

1. Dezember 2009

Der „Blick“ als größte Boulevardzeitung der Schweiz gibt sich heute ein wenig bockig: „Wir müssen uns nicht schämen, wir müssen reden.“ Bundesrat und Regierung verschlucken sich an dem Ergebnis der Volksabstimmung über Minarette. Auf ORF reden ein Vertreter des Islam und ein Journalist aus der Schweiz aneinander vorbei: Empörung auf der einen Seite über die angeblich zum Ausdruck gekommene feindliche Gesinnung, Achselzucken auf der anderen Seite über das, was in einer Demokratie möglich ist - und dann der Vorwurf, der Kritiker habe wohl nicht verstanden, wie das eidgenössische System funktioniert.


Das Plakat, mit dem die Minarett-Gegner auf Stimmenfang gegangen sind, ist widerlich. Der Entwurf stammt von einem Deutschen. Gebetstürme wachsen aus der Flagge der Schweiz, erinnern an Raketen. Eine verschleierte Frau mit Sehschlitz soll Angst und Schrecken verbreiten. 57 Prozent der Eidgenossinnen und Eidgenossen haben diese Angst vor dem Islam, behauptet heute die „Welt“: „Der Islam ist eine Bedrohung, derer man sich rechtzeitig erwehren muss.“

Pascale Bruderer als Präsidentin des Nationalrates zieht daraus den Schluss: „Es ging um Symbole, um Befürchtungen und Identität. Und es geht jetzt, nach der Abstimmung, auch um Integration, Religion und Toleranz.“ Das Ergebnis sei ein Auftrag.

Den haben Bundesrat und Regierung bereits, meint laut „Welt“ in gewohnt polemischer Weise der Publizist Henryk M. Broder: „Die Schweizer sind die erste europäische Nation, die sich in einer freien Abstimmung gegen die Islamisierung ihres Landes entschieden hat.“ Auf Broders Internet-Seiten lesen wir einen Spruch von Dieter Bohlen: „Das Problem ist: mach einem Bekloppten klar, dass er ein Bekloppter ist.“ Dem ist nichts hinzuzufügen.

Der Islam strebt die Weltherrschaft an - munkeln einige. Könnte man aus dem Koran ableiten: „Er ist es, der seinen Gesandten mit der Führung und der wahren Religion geschickt hat, auf dass Er sie über jede andere Religion siegen lasse. Und Allah genügt als Zeuge.“ Das ist Gottes Wort, dem Propheten Mohammed offenbar gemacht vom Erzengel Gabriel. Aber: Diesen Anspruch hat auch das Christentum erhoben. Im Namen des Herrn. Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

Was also tun? Religionsstiftern wie Jesus und Mohammed vorwerfen, dass sie ihre Überzeugungen absolut gesetzt haben? Oder - wie der „Blick“ vorschlägt - miteinander reden, ohne dem anderen irgendwelche fiesen Hintergedanken über eine Islamisierung oder Christianisierung der Schweiz zu unterstellen? Wer von Andersgläubigen Offenheit erwartet, muss ihnen mit Offenheit begegnen.

Rückblende: Bei einem Stadtbummel durch Hannover stehen meine beiden Begleiter und ich plötzlich vor einer Koranschule, ein Mann bittet uns herein. Vor uns sitzt rund ein Dutzend Kinder, der Koranlehrer fragt mich: „Wollen Sie etwas wissen?“ Also frage ich die Kleinen, woher sie kommen. Begeistert erzählen sie von den Städten, in denen sie geboren sind. Auf die Frage, ob es in der Bibel und im Koran Geschichten gibt, die sich ähneln, reagieren die Kinder ein wenig irritiert. Gemeinsam entdecken wir Verbindendes. Dann stelle ich eine Frage, die den Koranlehrer schmunzeln lässt: „Meint ihr wie ich, dass Jesus vor Mohammed gewarnt hätte, wenn er der Meinung gewesen wäre, dass dieser Prophet eine Gefahr darstellt?“ Ein paar Kinder lachen. „Seht ihr“, sage ich, „Mohammed hat aber auch nicht vor Jesus gewarnt.“ Der Koranlehrer legt seinen Arm um meine Schulter.

Daraus lernen wir vielleicht: Das Fremde ist nur so lange fremd, wie man einen Bogen um das Fremde macht. Nun zeigt die Welt auf die Schweiz, drei Finger zeigen jedoch auf die Ankläger. Vor dem Unbekannten hat jeder Angst, ob sich aber tatsächlich 57 Prozent der Schweizer gegen eine Islamisierung ihres Landes gewehrt haben, müsste man die Eidgenossen erst noch fragen. Das wäre ein Zeichen für kollektiven Wahnsinn. Die Beweggründe für das mehrheitliche Nein zum Bau weiterer Minarette sind sicherlich vielfältig. Der wichtigste Grund dürfte sein: Unkenntnis über den Islam. Deshalb hat der „Blick“ Recht: „Wir müssen reden.“ Nicht nur in der Schweiz. Miteinander - nicht übereinander.

Ich habe ein Jahr lang in der Schweiz gelebt. Anfangs ist auch mir dort Einiges fremd vorgekommen. Das legt sich irgendwann. Dann kommt einem vieles bekannt vor.

Freitag, 1. Mai 2009

Buchtipp



7. Oktober 2008
Private Notizen eines Kirchenchefs

Vorbemerkung: Die Neuapostolische Kirche ist um 1896 entstanden, sie hat heute in Deutschland rund 340 000 Mitglieder, geleitet wird sie von einem "Stammapostel", darunter gibt es Bezirksapostel und Apostel als weitere hohe Ämter. Weltsitz der Neuapostolischen Kirche ist Zürich. Der zweite Stammapostel hieß Hermann Niehaus, ein kleiner Landwirt aus Steinhagen bei Bielefeld.

1928 verfasste er seine Lebenserinnerungen, die jetzt bei http://stores.lulu.com/hwilmers erschienen sind. 15 Jahre zuvor hatte H. F. Niemeyer aus Australien eine Generalabrechnung mit Niehaus verfasst.



Die Sommerlektüre: "Insel des Zweifels"

“Auftauchen, endlich auftauchen. Ja, Mutter, ich öffne gleich die Tür. Lass mir noch ein wenig Zeit. Ich kann verstehen, dass du dir Sorgen machst, ich war so lange fort. Viel zu lange. Verzeih mir, dass ich so sicher war.

Nein, ich mache euch keine Vorwürfe, dir nicht und Vater nicht. Ihr seid nicht schuld. Ob ihr euch genug um mich gekümmert habt? Ja, ja. Es hatte nichts mit euch zu tun, dass ich meinen eigenen Weg gesucht habe. Jeder tut das. Das ist ganz natürlich. Ihr habt nichts falsch gemacht. Ich habe alles falsch gemacht. Weil mir mein Leben so sinnlos vorkam. Bis ich Marion traf, die mir erklärt hat, wozu wir leben. Um Gott zu dienen. Nur darum.”

So beginnt meine Erzählung “Insel des Zweifels”, die ich vor 20 Jahren in vier Tagen geschrieben und nie verändert habe, obwohl sie mehrere Auflagen erlebte und ich immer wieder Fahnen zur Korrektur bekam.

Verarbeitet habe ich in der Geschichte von Marion, die von einer christlichen Sekte in den Wahnsinn getrieben wird, viele Erfahrungen, die Erfahrungen von Mitgliedern der Neuapostolischen Kirche ebenso wie die Erfahrungen von Zeugen Jehovas, von Mitgliedern anderer fundamentalistischer Gruppen und von Sekten, die vor keinem Missbrauch des Glaubens zurück schrecken.

Evangelische Geistliche sagten mir, dass sie beim Lesen dieser Erzählung zum ersten Mal begriffen hätten, wie Gruppen, die angeblich jeden Satz in der Bibel wörtlich nehmen, funktionieren und ihre Mitglieder manipulieren. Die Schriftstellerin Luise Rinser meinte: “Ihre Geschichte ist aktuell und wichtig und außerdem gut geschrieben.”

Ich möchte alle Leserinnen und Leser von Readers Edition einladen zur Sommerlektüre von “Insel des Zweifels”. Wenn Sie mir gestatten, veröffentliche ich diese Erzählung in Fortsetzungen.

Diese Geschichte ist 1997 übrigens von einer Mediengruppe aus Burgdorf bei Hannover auch verfilmt worden. Vor und hinter der Kamera standen Laien, Schülerinnen und Schüler ebenso wie Chefs von Unternehmen und Auszubildende, die Arbeit hat uns viel Spaß gemacht, einige Szenen drehten wir in einem Studio in Hannover und ließen die Tür offen stehen, als der von mir erfundene Prediger seine Predigt hielt. Mehrere Paare kamen herein und erkundigten sich, ob es “hier eine neue Kirche gebe”. Das nahmen wir als Kompliment für die schauspielerischen Leistungen unseres Teams und als Indiz dafür, wie leicht verführbar Menschen sein können…

Sie werden eintauchen in eine Welt, die den meisten fremd und unwirklich vorkommt. Dabei darf man aber nicht vergessen, dass in Deutschland mehrere Millionen Menschen zu fundamentalistischen Gruppen gehören, die eine mehr oder weniger große Ähnlichkeit haben mit der Kirche, die ich in “Insel des Zweifels” keinesfalls vollkommen frei erfunden habe.

Hier lesen

Hier als Buch erhältlich

Rundgang über den religiösen Markt in Deutschland

Einer der Stammautoren der Readers Edition, Heinz-Peter Tjaden, Redakteur und Schriftsteller aus Wilhelmshaven, hat in den letzten Wochen dem religiösen Markt in Deutschland einen Besuch abgestattet.

Er verweilte am Stand der Scientologen, über dem zurzeit Verbotsforderungen von Ursula Caberta, in der Hamburger Innenbehörde zuständig für die Aufklärung über diesen Psycho-Verein, schweben, er schlenderte vorbei an der Stuttgarter Hanns-Martin-Schleyer-Halle, in der ein gewisser Reinhard Bonnke als “Evangelist” und “Wunderheiler” vom 14. bis 16. September 2007 Filme präsentieren will, die Jesus bei ihm in Auftrag gegeben hat, er ging ins Bundesfamilienministerium mit einigen Fragen zur Pfingstbewegung. Er erfuhr, dass ein evangelischer Weltanschauungsbeauftragter selbst dann nichts zurücknimmt, wenn er mit dem Vergleich, der bekennende Scientologe und Schauspieler Tom Cruise sei wie Goebbels, auf Kritik stößt, machte Halt in Leverkusen, wo sich eine 73-Jährige für die Rechte von Kindern einsetzt, die von den Zeugen Jehovas mit Füßen getreten werden, er wurde Zeuge einer weiteren Zerreißprobe der Neuapostolischen Kirche. Und er schließt mit dem Seufzer, dass wir zum Glück immer noch Papst sind - aber: Was will der Ratzinger, bevor er in Urlaub gefahren ist?

Die zum Teil bereits auf der Readers Edition erschienen Artikel sind nun in einer Sammlung unter “Wir sind Gottes Volk” beim Internet-Buchanbieter lulu erschienen und dort nur diesen Klick entfernt: http://stores.lulu.com/hwilmers.

Außerdem bei lulu.com erschienen:

-Neuapostolische Kirche vor neuer Zerreißprobe

- Kauft nicht bei Ex-Neuapostolischen

10. Oktober 2008
Sehr geehrter Herr Tjaden,

auf Ihrer Blog-Seite im Internet habe ich Ihre Beiträge über Reinhard Bonnke gefunden. Daher wende ich mich heute mit einer Frage an Sie.

Ich selbst bin Redakteurin der Zeitschrift afrikapost (www.afrikapost.de ), die über Politik, Wirtschaft, Kultur und
weitere Themen über ganz Afrika berichtet. Sie erscheint vierteljährlich in deutscher Sprache. Ziel ist eine möglichst realitische Berichterstattung, die Afrika nicht auf den Kontinent der Krisen, Kriege und Katastrophen reduziert. Die nächste Ausgabe (Dezember) wird als Hauptthema die "Neuen religiösen Strömungen in Afrika" diskutieren.

Als Leitfragen sind u.a. geplant:
- Was sind die Gründe für den Zulauf zu den neuen Strömungen?
- Welche Versprechungen machen neue religiöse Strömungen gerade armen Bevölkerungsschichten in Afrika?
- Welche Gemeinsamkeiten und Unterschiede weisen die neuen religiösen Strömungen in ihrer Theologie, ihren Zielen und Missionsstrategien auf?
- Gibt es politische Interessen und Implikationen, die dahinter stehen?
- Was sind die Gefahren dieser neuen religiösen Strömungen, sowohl für die "herkömmlichen" Religionen als auch für die Menschen und
Gesellschaften Afrikas?
- Welche Rolle übernehmen die Massenmedien hierbei?

Unter anderem wollen wir ein Porträt über Reinhard Bonnke, seine
Tätigkeit in Afrika und die "Christ for all nations"-Bewegung bringen.

Nun wollte ich mal bei Ihnen nachfragen, ob Sie uns vielleicht mit einem Artikel über Reinhard Bonnke unterstützen könnten?

18. Februar 2009
Artikel über Reinhard Bonnke

Mein Artikel ist inzwischen in der "Afrikapost" erschienen.